3. Geschichtliche Entwicklung der Dampflokomotiven

3.3. Die Entwicklung der Heißdampflokomotive von 1898 - 1925

Inhaltsverzeichnis:

Erfindung des Überhitzers

Der Wunsch, die Wirtschaftlichkeit der Lokomotive durch Verwendung überhitzten Dampfs zu erhöhen, ist bis in die Anfangsjahre des Lokomotivbaues zurückzuverfolgen. Eine große Zahl von Patenten wurde erteilt, einige Versuchsausführungen erprobt, die allerdings mehr als Dampftrockner zu bezeichnen waren. Erst dem Ingenieur Wilh. Schmidt in Kassel gelang es um 1894, einfache und wirkungsvolle Überhitzerformen auszubilden. Die erste Ausführung bestand aus U-förmig gebogenen Überhitzerelementen, die in ein großes Flammrohr in Kesselmitte hineinragten. Schwierigkeiten mit diesem Flammrohr führten zu dem in der Rauchkammer liegenden Überhitzer, der kurze Zeit später durch den auch heute noch üblichen Rauchrohrüberhitzer ersetzt wurde. Die erste Heißdampflokomotive der preußischen Staatsbahn ist die 2’ B h2-Lokomotive der Gattung S 4, der bald darauf die stärkere S 6 folgte, ebenfalls eine 2’ B-Schnellzuglokomotive mit 2 Zylindern in Zwillingsanordnung (Bild 13).

Personenzug-Heißdampflokomotiven

Die etwas schwierigeren süddeutschen und österreichischen Geländeverhältnisse hatten schon in der letzten Naßdampfzeit zum Bau dreifach gekuppelter Lokomotiven geführt. Im Jahre 1910 entstanden auch in Preußen die verschiedenen Bauarten der S 10, der späteren Reihe 17, als Lokomotive mit 3 Kuppelachsen. Sie wurden als 4-Zylinderund 3-Zylinder-Lokomotiven mit einfacher Dampfdehnung (S 10, S 102) sowie als 4-Zylinder-Verbundlokomotiven gebaut (S 101). Die Verbundbauart war im Betriebe am meisten vertreten und beliebt (Bild 14). Die Entwicklung der bayerischen dreifach gekuppelten Schnellzuglokomotive schloß mit einer 2’ C 1’ h4v-Lokomotive (Reihe 18) ab, der bekannten bayerischen S 3/6 (Bild 15), die wegen ihrer wärmewirtschaftlich günstigen Bauart und ihrer guten Laufeigenschaften heute noch im Betrieb ist. Der S 3/6 war eine 2’ B 2’-Lokomotive mit nach früheren Begriffen windschnittiger Form vorausgegangen, die mit 154 km/h von 1906 bis 1936 den Geschwindigkeitsrekord für Dampflokomotiven hielt.

Bild 13 2' B h2-Schnellzuglokomotive (S 6)
Bild 13 2' B h2-Schnellzuglokomotive (S 6)

Bild 14 2' C h4v-Schnellzuglokomotive Reihe 17<sup>10-12</sup>
Bild 14 2' C h4v-Schnellzuglokomotive Reihe 1710-12

Bild 15 2' C 1' h4v-Schnellzuglokomotive Reihe 18<sup>5</sup>
Bild 15 2' C 1' h4v-Schnellzuglokomotive Reihe 185

Bild 16 1' D h4v-Schnellzuglokomotive 19<sup>0</sup>
Bild 16 1' D h4v-Schnellzuglokomotive 190

Bild 17 1' D 1' h3-Personenzuglokomotive Reihe 39<sup>0-2</sup>
Bild 17 1' D 1' h3-Personenzuglokomotive Reihe 390-2

In Sachsen ging man sogar zur vierfach gekuppelten Schnellzuglokomotive über und baute von 1918 bis 1923 die XX HV, eine 1’ D 1’ h4v-Schnellzuglokomotive mit einem Treibraddurchmesser von 1905 mm und einem Reibungsgewicht von 68,6 t (Bild 16). Einige Jahre später wurde auch in Preußen als P 10 eine 1’ D 1’ h3-Lokomotive gebaut, die wegen ihres Raddurchmessers von nur 1750 mm aber mehr den Charakter einer Personenzuglokomotive besitzt (Bild 17).

Bild 18 2' C h2-Personenzuglokomotive 38<sup>10-40</sup>
Bild 18 2' C h2-Personenzuglokomotive 3810-40

Die Entwicklung der Personenzuglokomotive lehnte sich im wesentlichen an die der Schnellzuglokomotive an. Die bekannteste und in großer Zahl in Deutschland und anderen Ländern gebaute Personenzuglokomotive ist die 2’ C h2 (P 8) Reihe 3810-40 (Bild 18). Sie wurde zum erstenmal im Jahre 1906 in Betrieb genommen, bewährte sich sehr gut und wurde darauf bis 1924 nachgebaut. Sie ist heute noch im Personenzugverkehr recht zahlreich vertreten und galt lange Zeit als unermüdliches und unverwüstliches ”Mädchen für alles”.

Güterzug-Heißdampflokomotiven

Die Güterzuglokomotiven wuchsen nach Überwinden der Schwierigkeiten bei der Laufwerksgestaltung über die dreifach gekuppelte C-Lokomotive bis zur sechsfach gekuppelten 1’ F-Lokomotive der württembergischen Staatsbahn (Gattung K) (Bild 19). Im preußischen Lokomotivpark war die 1’ E (G12 pr, Bild. 20) die größte Güterzuglokomotive. Man wollte möglichst hohe Zuglasten mit nur einer Lokomotive über die Strecke bringen und auch auf Steigungsstrecken den unwirtschaftlichen Vorspann weitgehend vermeiden. Solch große Lokomotiven können nur dann wirtschaftlich eingesetzt werden, wenn ständig ausreichende Zuglasten aufkommen.

Einige Tenderlokomotiven, die vornehmlich als Schiebelokomotiven für den Steilrampenbetrieb vorgesehen waren, erreichen ebenfalls ein recht hohes Reibungsgewicht. So kommt z. B. die preußische T 20, 1’ E 1’ h2-Tenderlokomotive mit einem Achsdruck von 19 Tonnen auf ein Reibungsgewicht von 95,3 t. Übertroffen wird sie noch von der bayerischen ”Mallet”-Lokomotive, einer D’ D h4v-Tenderlokomotive, die es auf ein Reibungsgewicht von 131,1 t brachte (Bild 21).

Bild 19 1' F h4v-Güterzuglokomotive Reihe 59<sup>0</sup>
Bild 19 1' F h4v-Güterzuglokomotive Reihe 590

Bild 20 1' E h3-Güterzuglokomotive Reihe 58<sup>10-22</sup>
Bild 20 1' E h3-Güterzuglokomotive Reihe 5810-22

Bild 21 D' D h4v-Tenderlokomotive Reihe 96 (Bayerische Mallet-Lokomotive)
Bild 21 D' D h4v-Tenderlokomotive Reihe 96 (Bayerische Mallet-Lokomotive)


Aufbau und Technik der Dampflokomotive