1. Antriebsarten für Schienenfahrzeuge

1.2. Der Elektromotor

Der Einsatz des Elektromotors als Antrieb für Schienenfahrzeuge steht auf einer ganz anderen, man könnte fast sagen gegensätzlichen, Grundlage als der der Dampfmaschine. Dort viele kleine Energieerzeugungsanlagen, hier weitgehendes Zusammenfassen der Energieerzeugung in großen, zentralen Anlagen, dort Unabhängigkeit in der Verwendung auf allen Gleisanlagen, hier Bindung an das Stromnetz und die Stromverteilungsanlagen. Daraus ergeben sich von vornherein die Grenzen der elektrischen Zugförderung.

Die Energieausnutzung in wenigen großen Kraftwerken ist technisch wesentlich günstiger zu gestalten als in den demgegenüber kleinen Kesseln der Dampflokomotiven. Während im Lokomotivkessel hochwertige Kohle verfeuert werden muß, kann man mit geeigneten Anlagen im ortsfesten Großkesselbetrieb fast jeden beliebigen, geringwertigen Brennstoff, sei es Torf, Braunkohle, Staubkohle verwenden. Außerdem läßt sich die Wasserkraft zur Stromerzeugung heranziehen, da der Standort des Kraftwerks beliebig gewählt werden kann.

Durch die zentrale Krafterzeugung steht dem einzelnen Triebfahrzeug praktisch jederzeit genügend Stromenergie zur Verfügung, so daß die Leistung der Maschine nicht von seiten der Energieerzeugung begrenzt wird. In eine elektrische Lokomotive läßt sich daher eine wesentlich größere Antriebsleistung einbauen als in eine Dampflokomotive. Darüber hinaus ist der Elektromotor kurzzeitig noch überlastbar, ein Vorteil, der sich vor allem beim Anfahren und bei Steigungsstrecken günstig auswirkt. Elektrische Lokomotiven überschreiten die Leistung der Dampflokomotiven bis zum Doppelten. Die hohe Leistung macht den Elektroantrieb vor allem für dicht belegte und mit schweren Zügen befahrene Strecken sowie für den Verkehr in gebirgigen Gegenden mit starken Steigungen geeignet. Die große Motorleistung verleiht dem Triebfahrzeug ein hohes Beschleunigungsvermögen und läßt dementsprechend kurze Fahrzeiten zu.

Die elektrisch angetriebene Lokomotive kann bei gleicher Leistung erheblich leichter als eine Dampflokomotive gebaut werden, da das Gewicht des Kessels und der Betriebsvorräte entfällt.

Den Reisenden bietet der elektrische Betrieb eine angenehmere Fahrt, weil die Belästigung durch Rauch und Ruß unterbleibt, dem Lokpersonal bessere Arbeitsbedingungen, da die große körperliche Anstrengung beim Feuern des Kessels entfällt.

Die elektrische Lokomotive kann beliebig lang im Dienst bleiben, die tägliche Behandlung im Bahnbetriebswerk fällt fast ganz fort. Deshalb ersetzt eine elektrische Lokomotive auf geeigneten, dicht belegten Strecken etwa 1,5 Dampflokomotive. Dabei ist natürlich vorauszusetzen, daß ein genügendes Verkehrsbedürfnis vorhanden ist, um die Ellok wirklich ohne nennenswerte betriebliche Pausen einzusetzen.

Auch dem elektrischen Antrieb im Schienenverkehr sind Grenzen gesetzt. Eine elektrische Lokomotive ist wesentlich teurer als eine Dampflokomotive. Dazu kommen die Kosten für die notwendigen Krafterzeugungs- und Stromverteilungsanlagen, so daß der elektrische Betrieb nur in einem Gebiet mit großer Zugförderleistung wirtschaftlich bleibt. Die Gesamtkosten des elektrischen Betriebes hängen unmittelbar von der Ausnutzung der Anlagen ab, bei geringer Auslastung steigen sie rasch an. Die Betriebsstörungen beim Stromausfall wirken sich beim elektrischen Betrieb auf ganze Streckenabschnitte aus, zu deren Vermeidung umfangreiche und kostspielige Schaltanlagen geschaffen werden müssen.

Aufbau und Technik der Dampflokomotive