1. Antriebsarten für Schienenfahrzeuge
1.1 Die Dampfmaschine
Die Dampflokomotive verdankt ihre weite Verbreitung nicht zuletzt dem Umstand, daß sie in der ersten Zeit des Eisenbahnbetriebes die einzige betriebsbrauchbare Antriebsmaschine darstellte. Fast ein Jahrhundert verging, ehe der Verbrennungs- und der Elektromotor ernsthaft mit der Dampfmaschine in Wettbewerb treten konnten. Einige grundsätzliche Eigenschaften des Dampfantriebs kommen überdies den Forderungen des Eisenbahnbetriebs sehr entgegen, so daß die Dampflokomotive sich auch später, in verbesserter Form, ihr Arbeitsgebiet verhältnismäßig lange erhalten hat.
Die Vorteile der Dampflokomotive liegen vor allem in der einfachen Bauart von Maschine und Steuerung. Aus einigen großen und nicht, allzu schnell laufenden Teilen gebaut, ist die Dampfmaschine gegenüber ihren Wettbewerbern verhältnismäßig wenig störungsanfällig. Dieser Vorzug galt besonders im vergangenen Jahrhundert, als man in der Eisenherstellung und -verarbeitung noch nicht so weit vorgeschritten war wie heute.
Die Dampflokomotive ist leicht von Vorwärts- auf Rückwärtsfahrt umschaltbar und kann ohne Zwischengetriebe aus dem Stillstand angefahren werden. Für den Antrieb der Schienenfahrzeuge bieten diese Eigenschaften einen großen Vorteil, da hier oft an- gefahren und im Rangierdienst die Bewegungsrichtung häufig gewechselt werden muß.
Wegen dieser vorteilhaften Eigenschaften wird die Dampflokomotive auch weiterhin dort das Feld behaupten, wo ihre Wettbewerber sich wirtschaftlich nicht bedeutend überlegen zeigen. Die unvermeidbare Rostverschlackung und die Notwendigkeit, nach gewisser Zeit die Betriebsvorräte, vor allem Wasser und Kohle, ergänzen zu müssen, begrenzen die Strecke, die eine Dampflokomotive ohne Halt durchfahren und vor dem Zuge bleiben kann. Der Wasservorrat kann zwar in 5 - 10 Minuten Aufenthalt im Bahnhof ergänzt, zum Rostreinigen und Kohlenladen muß aber das Bahnbetriebswerk aufgesucht werden. Für diese Arbeiten sind umfangreiche und kostspielige Anlagen sowie ein verhältnismäßig hoher Zeitaufwand nötig. Läßt sich die Lokomotivbehandlung auf Bahnhöfen innerhalb von ohnehin entstehenden Aufenthaltszeiten zwischen Hin- und Rückfahrt unterbringen, dann bedeutet der Zeitverlust keinen Nachteil.
Die Laufleistungen unserer Lokomotiven sind in den letzten Jahren durch entsprechende technische Entwicklung, Kohlenauswahl und Fahrplangestaltung auf einen recht hohen Wert gebracht worden, der auf den Bahnen anderer Länder kaum überschritten werden, bei uns aber auch nicht mehr wesentlich zu verbessern sein dürfte.
Im Jahre 1956 erreichten die Lokomotiven der Deutschen Bundesbahn eine durchschnittliche Laufleistung von 225 km/Tag. Die Schnellzuglokomotiven ragten mit einer Tageshöchstleistung von 1053 km/Tag um ein Vielfaches aus dem Durchschnitt heraus. Der längste Lokomotivdurchlauf bestand zwischen Frankfurt und Hamburg mit 703 km Streckenlänge, eine Laufleistung, die man früher kaum für möglich hielt.
Der Gesamtwirkungsgrad der Dampflokomotive oder, anders ausgedrückt, die Ausnutzung der in der Kohle enthaltenen Energiemenge für die Zugförderung ist mit 5 – 8 % nicht sehr hoch. Auf dem durch das Streckenprofil begrenzten Raum läßt sich die Lokomotivfeuerung nicht so günstig gestalten, wie das bei einem ortsfesten Kessel möglich ist. Außerdem bringen viele, kleine Feuerstellen, die im Lokomotivbetrieb nun einmal nicht zu umgehen sind, höhere Verluste als das Zusammenfassen dieser Feuerstellen in einer großen Kraftwerksanlage, wie wir sie für die elektrische Zugförderung vorfinden.
Die Dampflokomotive verbraucht auch im Stillstand Kohle durch Abbrand und Abstrahlungsverluste und ist in ihrem Wirkungsgrad empfindlich gegen Teillastbetrieb. Ein leichter Zug wird z. B. mit einer dafür zu großen Maschine befördert. Verluste treten außerdem beim Ausschlacken, Auswaschen und nachfolgenden Wiederanheizen auf. Diese aus dem Gesamtwirkungsgrad entstehenden Nachteile sind um so stärker zu bewerten, je höher der Kohlenpreis liegt. Hinzu kommt, da0 die Dampflokomotive durch den Zwang zum Mitführen der Dampferzeugungsanlage und der Betriebsvorräte eine große tote Last befördern und dafür einen entsprechenden Energieaufwand in Kauf nehmen muß. Die Last, die von den Lauf- und Tenderachsen aufgenommen wird, ist für die Zugförderung als tote Last zu betrachten. Könnte man sie entbehren, so könnte statt dessen eine entsprechende Wagenzahl mit Nutzlast befördert werden.
Die schweren hin- und hergehenden Massen des Kolbens und des Triebwerks begrenzen die Höchstgeschwindigkeit bei dem üblichen Raddurchmesser der Schnellzuglokomotiven von 2000 mm auf etwa 120 bis 140 km/h. Diese technische Geschwindigkeitsgrenze liegt so hoch, daß sie im wesentlichen allen heute betrieblich auftretenden Forderungen genügt. Die eigens für Schnellfahrten mit dem besonders großen Raddurchmesser von 2300 mm gebaute 3zylindrige Lokomotive Baureihe 05 hat allerdings im Versuchsbetrieb schon Geschwindigkeiten über 200 km/h erreicht.
Die Leistung der Dampflokomotive in ihrer heutigen Form ist durch die Größe des im Streckenprofil unterzubringenden Kessels in Europa auf etwa 2500 – 3000 PS begrenzt.