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Vorausströmpunkt
8. Die Lokomotivsteuerung
8.1. Allgemeine Wirkungsweise der Steuerung
Aufgaben der Steuerung
Die Steuerung einer Dampfmaschine dient dazu, den vom Kessel gelieferten Dampf in Abhängigkeit von der Bewegung des Dampfkolbens so in den Zylinder ein- und ausströmen zu lassen, daß die im Dampf enthaltene Arbeitsenergie möglichst wirtschaftlich ausgenutzt wird. Man unterscheidet einfach und doppelt wirkende Dampfmaschinen, je nachdem, ob der im Zylinder hin- und hergehende Kolben seinen Antrieb durch den Dampf von einer oder von beiden Seiten aus erhält. Die Lokomotivdampfmaschine arbeitet stets doppelt wirkend. Der Dampfkolben teilt den Zylinder in zwei Arbeitsräume; zu jedem führt ein Dampfkanal, der gleichzeitig der Dampfeinströmung und Dampfausströmung dient. Er mündet jeweils am Zylinderende. Die Dampfverteilung auf die beiden Kanäle des Lokomotivzylinders bestimmt der Schieber durch das Steuerungsgestänge, die sogenannte äußere Steuerung, die die Bewegung vom Treibrad und Kreuzkopf ableitet. Die Lokomotivsteuerung muß so ausgebildet sein, daß sich mit ihrer Hilfe die Leistung der Dampfmaschine in weiten Grenzen ändern und außerdem die Drehrichtung der Treibräder leicht vom Vorwärts- auf den Rückwärtslauf umschalten läßt.
Arbeitsabschnitte im Dampfzylinder
Während einer Treibradumdrehung durchläuft der der Kolben den Zylinder je einmal im Hin- und Hergang. Hierbei unterscheidet man vier Arbeitsabschnitte des Dampfes, die sich ständig wiederholen. Bildlich läßt sich dieser Vorgang sehr gut an der Dampfdruckschaulinie verfolgen, die den im Zylinder wirksamen Dampfdruck in Abhängigkeit von der Kolbenstelung darstellt. Aus diesem theoretisch ermittelten oder in der Praxis aufgenommenen Schaubild kann man ablesen, wie hoch der auf den Kolben wirkende Druck in jeder beliebigen Kolbenstellung gerade ist und kann daraus für die Konstruktion der Maschine wie für die richtige Einstellung der Steuerung wertvolle Schlüsse ziehen.
Die einzelnen Arbeitsabschnitte werden jeweils durch zwei Hauptsteuerpunkte begrenzt, das sind solche Punkte, in denen der Schieber durch Schließen oder Öffnen der Ein- und Ausströmung einen neuen Zustand im Dampfzylinder einleitet. Zur eindeutigen Kennzeichnung der Lage des einzelnen Hauptsteuerpunktes bezeichnet man die zugehörige Stellung des Dampfkolbens in Prozent des gesamten Kolbenhubes. Wird z.B. die Dampfzufuhr zum Zylinder vom Schieber abgeschlossen, sobald der Kolben ein Viertel = 25 % seines Gesamtweges zurückgelegt hat, so sagt man, die Füllung ist bei 25 % des Weges beendet oder die Füllung beträgt 25 %.
Vier Arbeitsabschnitte folgen ständig aufeinander, und zwar Füllung, Dehnung, Ausströmung und Verdichtung. Begrenzt werden sie durch die vier Hauptsteuerpunkte: Voreinströmpunkt (VE), Dehnungsbeginn (Ex), Vorausströmpunkt (Va) und Verdichtungsbeginn (Ko). Die folgende Beschreibung betrachtet den Ablauf an den Dampfschaulinien des linken Zylinderraums.
a) Füllung
Während der Füllung öffnet der Schieber den Zylinderkanal nach dem Einströmrohr hin, so daß der Dampf aus dem Kessel in den Zylinder gelangen kann. Der Füllungsabschnitt beginnt kurz vor der linken Totpunktstellung des Kolbens im Voreinströmungspunkt (VE) und endet mit Füllungsabschluß bzw. Dehnungsbeginn (Ex). Während des Füllungsabschnitts wirkt auf den Kolben theoretisch der volle gleichbleibende Schieberkastendruck. Da der Schieber sich aber während des Füllungsabschnitts bewegt, verändert sich auch die Öffnung des Dampfeinlaßkanals und es tritt besonders gegen Ende des Füllungsabschnitts eine Drosselung des einströmenden Dampfes in dem Maße ein, wie der Schieber die Dampfeinströmöffnung im Schieberkanal allmählich einengt. Dadurch fällt die Füllungslinie gegen Füllungsabschluß ab. Dies tritt um so stärker auf, je schneller die Lokomotive fährt, je weniger Zeit dem Dampf also für die Einströmung bleibt. Im Beispiel ist die Dampfschaulinie für sehr langsame Fahrt gezeichnet, um die einzelnen Abschnitte deutlich darstellen zu können. Dabei kommt es kaum zu einer merklichen Drosselung.
Bild 84 Die vier Arbeitsvorgänge im Dampfzylinder a=Füllung
b) Dehnung
Während der Dehnung schließt der Schieber den Zylinderkanal ab. Die Dampfzufuhr vom Kessel zum Zylinder ist unterbrochen. Die im Zylinder eingeschlossene Dampfmenge hat infolge der ihr innewohnenden Energie das Bestreben, sich auszudehnen und bewegt dabei den Dampfkolben weiter in Richtung zum rechten Totpunkt. Je weiter der Kolben sich fortbewegt und der linke Zylinderraum sich vergrößert, desto mehr sinkt der Druck des Dampfes ab. Dieser Arbeitsabschnitt erstreckt sich vom Dehnungsbeginn (Ex) bis zum Vorausströmpunkt (Va).
Bild 84 Die vier Arbeitsvorgänge im Dampfzylinder b=Dehnung
c) Ausströmung
Während der Ausströmung verbindet der Schieber den Zylinderkanal mit dem Ausströmrohr, so daß der entspannte Dampf durch das Ausströmrohr und das Blasrohr ins Freie entweichen kann. Dieser Vorgang beginnt im Vorausströmungspunkt (Va), kurz bevor der Kolben den rechten Totpunkt erreicht. In der rechten Totpunktlage des Kolbens gibt der Schieber den Zylinderkanal nach der Ausströmung hin ganz frei. Der Ausströmungsabschnitt endet bei Verdichtungsbeginn (Ko), wenn der Kolben schon wieder einen Teil des Weges zum linken Totpunkt zurückgelegt hat.
Bild 84 Die vier Arbeitsvorgänge im Dampfzylinder c=Ausströmung
Bild 84 Die vier Arbeitsvorgänge im Dampfzylinder d=Ausströmung
d) Verdichtung
Während der Verdichtung schließt der Schieber den Zylinderkanal wieder ab. Die im Zylinder verbleibende Restdampfmenge wird verdichtet, indem sich der Kolben zum linken Totpunkt hin bewegt und den Zylinderraum allmählich verkleinert. Der Dampfdruck im Zylinder steigt dabei an. Der Verdichtungsabschnitt reicht von Verdichtungsbeginn (Ko) bis zum Voreinströmungspunkt (VE), wo das Spiel wider mit dem ersten Arbeitsabschnitt beginnt.
Bild 84 Die vier Arbeitsvorgänge im Dampfzylinder e,f=Verdichtung